Alleine Segeln – von Lisboa bis Lagos

Nachdem Fernando von Bord gegangen ist, war Segeln alleine angesagt. Ich hatte das zwar schon einmal mit der Anke-Sophie gemacht, aber das war im Greifswalder Bodden, den ich sehr gut kenne. Hier ist das Gebiet neu für mich und das Wetter ist oft schwer einzuschätzen, trotz diverser Wetterberichte, die sehr unterschiedliche und widersprüchliche Informationen geben. Den ersten Tag habe ich mir noch im Hafen gegönnt, da ein Starkwind mit mehr als 30 kn über mich hinwegfegte. Die nächste Nacht habe ich in der Bucht auch bei 30 kn Wind vor dem Hafen vor Anker gelegen, um das Hafengeld zu sparen. Dann waren 20 kn angesagt, also Anker auf. Am Anfang bin ich fast verzweifelt, da der Wind immer weniger wurde (teilweise unter 5 kn) und dafür die Segel in der alten Dünung immer mehr schlugen. Die zwei Tage davor, waren wie gesagt über 30 kn aus Nord und dementsprechend hatte sich eine See von 4 m aufgebaut. Diese läuft auch noch nach Tagen weiter. Ich fahre mit dem Boot die langgestreckten Atlantikwellen hinauf und hinab. Da es diesig ist und ich die Küste nicht sehen kann, ergibt das fast ein Gefühl auf einer großen Überquerung zu sein. Und das alleine. Die Windfahnensteuerung funktioniert perfekt, sodass ich nebenbei schreiben kann.

Cabo Espichel südlich von Lisboa

Cabo Espichel südlich von Lisboa

Lagos 006

Cabo Sao Vicente durch den Dunst am Morgen nach der Umrundung

Cabo Sao Vicente durch den Dunst am Morgen nach der Umrundung

Ich dachte ja, dass ich nach zehn Wochen Segeln nun endlich tiefenentspannt sei, aber es ist wohl noch nicht so. Nach dem frühen Ablegen und Telefonieren mit meinem Vater schien die Seglerwelt noch in Ordnung zu sein, keine halbe Stunde später springe ich fluchend über’s Deck und hantiere mit den Schoten und Fallen. Der Wind wurde immer schwächer und ich dachte, um es auszugleichen, sei der Spinnaker genau die richtige Antwort. Weit gefehlt. Der Wind wurde noch schwächer und nun schlugen mir alle Segel gleichzeitig um die Ohren. Ich hatte Annette und mir versprochen, nur angeleint aufs Vorschiff zu gehen, sodass ich also mit Schwimmweste eingepiekt an neu verlegten Strecktauen immer wieder von achtern zum Bug und zurück gestakst bin, immer die Atlantikwelle ausgleichend. Der Schweiß lief und der Erfolg war, dass das Schiff keine Fahrt mehr machte und wie verrückt in den Wellen tanzte. Und ich habe wie gesagt laut fluchend mit getanzt. Tolles Duett! Und dabei schlugen die Segel krachend, dass es mir in der Seele schmerzte.
Schweren Herzens wird der Motor gestartet und ich fange mich wieder. Ich grüble, was ich nun tun soll und wohin ich mich absetzen könnte. Die portugiesische Küste zwischen Lissabon und Lagos ist dünn besiedelt und es gibt nur extrem wenige Häfen dazwischen, eigentlich nur Sines. Ich motore extrem ungern. Dann steigert sich der Wind doch wieder und schließlich habe ich einen wunderschönen Nachmittag und erreiche Sines eine Stunde nach dem Dunkelwerden und finde einen guten geschützten Ankerplatz. So eng liegen also Pech und Glück bzw. Stimmungshoch und –tief beim Fahrtensegeln bei einander.
Am nächsten Tag ähnlich. Ich paddle an Land, um mir im Internetcafe die Wetterberichte einzusehen. Angesagt sind 8 kn Wind, die bis 12 kn auffrischen sollen. Zunächst läuft es in Küstennähe noch schön, dann außerhalb des geschützten Bereiches, schlagen die Atlantikwellen wieder zu. Ich fluche wieder, obwohl ich mir das abgewöhnen wollte. Ich hatte mir in weiser Voraussicht schon überlegt, wo ich an dieser Küste ein wenig Schutz finden könnte, wenn es weniger Wind haben sollte, aber auch bis dahin wären es fast 40 sm. Zuviel, um zu motoren, wenn es nicht sein muss. Und siehe da, ich sollte lernen, mich in Geduld zu üben. Der Wind frischt tatsächlich auf 12 kn auf und die Anke-Sophie fährt trotz der Welle ordentlich und die Segel schlagen immer weniger. Nun wird der Kurs auf das bedeutende Cabo Sao Vicente abgesteckt. Ich will sehen, ob das zu erreichen ist. Denn es gibt einen Grund. Ich hatte mich zwar damit schon arrangiert, 2 ½ Wochen alleine zu segeln, aber plötzlich melden sich doch noch Mitsegler, die spontan dazukommen wollen. Wir wollen uns in zwei Tagen in Lagos treffen. Ich genieße das Segeln, höre laut Musik und koche etwas während die Anke-Sophie durch die Abenddämmerung Achterbahn fährt. Das geht einige Stunden, bis dann doch mit der kommenden Nacht der Wind schwächer wird. Die letzten drei Stunden muss ich motoren, denn ich komme zu langsam vorwärts und die Segel fangen wieder an zu schlagen. Ich hatte zuvor davon gelesen, dass sich vor dem Cabo Sao Vincente oft die Wellen brechen und man Abstand halten soll. Jetzt weiß ich was gemeint ist. Eine Kreuzsee vom feinsten. Die Anke-Sophie wird unter Maschine in alle Richtungen geworfen. Gut, dass sich mein Magen ans Segeln gewöhnt hat, aber flau wird mir dann doch und das mitten in der Nacht alleine am Kap.
Endlich in einer Bucht hinter dem Kap finde ich eine scheinbar ruhige Bucht zum Ankern. Alles klappt gut und ich falle schnell müde in die Koje. Aber nach kurzem Schlaf wache ich auf, da ich in der Koje hin und her rolle. Das Schiff liegt nicht mehr im Wind, da keiner mehr ist. Jedes Mal, wenn das Schiff quer zur Welle liegt, geht’s los und ich wende in der Koje von alleine im Wellentakt. Mürrisch stehe ich auf. Lieber Anker auf, als das weiter ertragen. Draußen ist es immer noch diesig und es hat kaum Wind. Motoren? Nicht schon wieder! Und das nach nur einer Stunde Schlaf. Ich finde dann nach einer halben Stunde eine andere Bucht, wo ich mir noch etwas Schlaf gönne. Tja und dann gibt es wieder Wind. Beinahe ist alles vergessen und ich gleite –ohne Wellen- die Küste der Algarve entlang.

Felsen vor Lagos

Felsen vor Lagos

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In Lagos treffe ich Lisa, Lena und Friedrich und wir wollen die nächsten zwei Wochen gemeinsam segeln. Sie sind spontane Studenten und ich freue mich, mal Jugend an Bord zu haben. Ihre Väter sind in meinem Alter…

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10 Antworten zu “Alleine Segeln – von Lisboa bis Lagos

  1. hallo lieber Thomas die Koffer sind gepackt ja auch wir gehen jetzt auf eine größere Reise aus deiner Perspektive natürlich ein kleiner Pups 14 Tage nach Korsika zu fahren aber wir freuen uns auf unserer Insel Rundfahrt wir werden recht viel unterwegs sein in 14 Tagen 8 Hotels ansteuern dazwischen wandern baden Wein trinken und natürlich auch immer einmal wieder an dich denken gestern Abend habe ich mich mit Annette getroffen wir hatten einen schönen Abend bei gutem Essen und Annette hat von ihrer Mutter und dem Treffen ihrem  Bruder berichtet da gibt es ja noch einiges zu klären und ich konnte ihr vielleicht ein paar Tipps geben so jetzt geht es bei uns gleich los! dir einen angenehmen Segeltörn mit den jungen Mädels und Burschen auf deinem Boot ich hoffe und glaube du wirst die Vaterrolle bestens ausfüllen viele Grüße auch von Jochen Martin

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    • Lieber Martin,

      schön, immer wieder von dir zu hören. Wie gesagt, viel Spaß bei eurem Urlaub. Vive la Corse!!!

      Ihr wisst, dass ich von Frankreich oft nach Korsika gesegelt bin. Besucht unbedingt Calvi und Bonifacio, das ehemalige Piratenschlupfloch, indem ich schon mehrfach mit einem Segelboot angelegt habe! War immer wieder spannend, in den Kanal einzufahren.

      Mit herzlichen Grüßen

      Thomas

      Thomas Herter Mobil Spanien: +34 628 272 606

  2. hallo Thomas erst jetzt am Flughafen komme ich dazu deinen Segelbericht ausführlich zu lesen das hört sich ja wahnsinnig an aber es kann ja nicht nur so ruhiges und angenehmes Badesegeln wie vor der Südküste England sein!ab und zu kommt dann auch die Anstrengung und das Abenteuer  ….jedenfalls für mich eine Gänsehaut Lektüre aber es ist wieder alles gut gegangen und du hast die Etappe alleine bravourös gemeistert lg Martin

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  3. Lieber Thomas, ich hatte Dir ja geschrieben, wie ich auf Dein Alleinsegeln gespannt war. Danke für den ausführlichen Bericht. Ein Krimi von Henning Mankell ist ein Schiss dagegen! Du bist eben ein vielseitiges Genie, Du kannst sogar die Flaute wegfluchen.
    Weiter so! Und viel Glück mit den Youngsters.
    Das neuste aus KK: Shapoor hat geschrieben, dass die Betondecke des Daches feritg ist!!! und in 2 Wochen das Isogam aufgebracht wird.
    In nächster Zeit musst Du dann wohl das restliche Geld überweisen.
    Demnächst schicken wir Photos vom Dach.
    Wir wünschen Dir weiterhin die beste Brise, die Ihr als Gruppe und die Anke-Sophie braucht
    Heiner

    Spannend ist

    • Lieber Heiner, es ist schon verrückt. Ich bin hier gerade wieder in Spanien angekommen. Über Nacht, wir waren gestern in Faro gestartet. Und ich höre von dir aus Berlin die Nachrichten aus Afghanistan. Nun haben sie also auf der Schule ein Betondach. War das denn so geplant? Naja, sicher besser als Blech. Wenn die Mauern es hoffentlich tragen…

      Bis bald, Mit herzlichen Grüßen

      Thomas

      Thomas Herter Mobil Spanien: +34 628 272 606

  4. Lieber Thomas, da hast Du ja echt was durchgemacht! Aber zum Glück alles gut überstanden. Jetzt kannst Du Dich hoffentlich von dieser Anstrengung ein wenig erholen! Viel Spaß mit den neuen Mitseglerinnen und -seglern, liebe Grüße von Annette*

    • Liebe Annette, es freut mich, dass du der Reise so oft folgst. Die Umrundung des Cabo Sao Vicente war halb so schlimm! Es war nur die Schaukelei und das Auf- und Ab des Windes, was an den Nerven zerrte. Aber „meine“ Annette meinte, ich sollte ruhig auch diese Seiten mal in den Blog stellen… Viele Liebe Grüße nach Berlin aus Mazagon. Übrigens ist Kolumbus wohl von hier gestartet! Thomas

      Thomas Herter Mobil Spanien: +34 628 272 606

  5. Lieber Thomas,
    nun habe ich länger nichts kommentiert – aber dieser Bericht haut mich um! Und das ganz ohne Wind oder Dünung… Bin hin- und hergerissen zwischen Gruseln und ordentlichem Respekt; du schlägst dich erstklassig! Dein Bericht ist unglaublich plastisch, ich kann mir dich da ziemlich genau vorstellen… Und es ist schön, zu erfahren, dass du erstmal wieder Gesellschaft an Bord hast, das ist vermutlich die beste Prophylaxe gegens Wunderlich-Werden. Sei für heute sehr herzlich gegrüßt – vom: Bernhard

    • Lieber Bernhard,

      auf diesem Wege vielen Dank für deine Zeilen und ja, ich habe gute Gesellschaft. Wir sind heute in Rota, eine kleine Stadt nördlich von Rota und werden gegen Abend ablegen, um in Richtung Kap Trafalgar zu segeln. Davon dann später mehr an dieser Stelle. Die Damen der Crew sind am Strand, die Männer in der öffentlichen Bibliothek und nutzen dort den WIFI. So auch ich, um dir zu antworten. Bis bald, liebe Grüße

      Thomas

      Thomas Herter Mobil Spanien: +34 628 272 606

  6. Hallo Thomas,
    Hier schreiben Nicolas und Jacques.
    Wir haben heute abend über Dich und unseren Plan zu dir zu stossen gesprochen. Und vor allem deine Segelberichte gelesen….wir freuen uns sehr. nicolas meint du müsstest lediglich alle Berichte zusammenpressen und schon hättest du eienen spannenden Reiseroman geschrieben. Bis bald
    PS : Julie hat vorgestern auch die Flüge nach Gran Canaria gebucht….sie fliegt von London nach Luxemburg und dann kommen wir zu dritt zu dir.

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