Wer denkt nicht an das Seemannslied, wenn er diesen Namen hört? Hier sei die erste Strophe aufgeführt:
Wir lagen vor Madagaskar
Und hatten die Pest an Bord.
In den Kübeln da faulte das Wasser
Und mancher ging über Bord.
Ahoi! Kameraden. Ahoi, ahoi.
Leb wohl kleines Mädel, leb wohl, leb wohl.
Wir hatten eine insgesamt gute Überfahrt von Réunion nach Madagaskar, auch wenn uns am ersten Tag die Seekrankheit beinahe heimgesucht hätte, da die Wellen wieder kräftig waren und wir durch unseren mehr als zweiwöchigen Landaufenthalt entwöhnt waren.
Eigentlich hatten wir uns schon entschieden, direkt von Réunion um das Nordkap von Madagaskar nach Nosy Be zu segeln, da es hieß, dass die Behörden in St. Marie korrupt seien. Dann hörten wir von anderen Seglern, dass es so schlimm nicht sei, also trauten wir uns. In der Bucht von Ambodifototra (na, versuche das mal auszusprechen!) treffen wir eine australische und eine irische Yacht, die wir zuvor schon in Réunion kurz gesehen haben.
Diese Segler führten ein, dass immer der zuletzt Angekommene die Nächsten bei den Gängen an Land unterstützt und so haben wir Myra, unsere nette irische Begleiterin, die uns von Behörde zu Behörde führt und genau erklärt, was sie wo sagten und bezahlten. Wir wissen also, dass wir nur um einem 30-Tage-Visum bitten sollten, da dies laut Gesetz kostenlos ist. Wir sind vorab informiert, dass die Polizisten bei der Immigration lange Gesichter machen werden, da sie mit uns nichts verdienen werden. Anderen haben sie zuvor große Beträge aus den Rippen geholt für längere Visa. Wir sind auch gebrieft, dass wir mit der Bitte um ein Geschenk zu rechnen haben und dass die letzten Segler nur einen Betrag von 10.000 Ariary, umgerechnet 3 €, gegeben haben (das Problem ist wohl, dass die Gehälter so niedrig sind, dass die Leute kaum davon leben können). Die Leute bei der Polizei sind unsympathisch, aber beim Zoll und bei der Küstenwache werden wir nett und freundlich empfangen, dort gibt es auch eine geregelte Gebühr und wir bekommen eine Quittung. Alles in allem erledigen wir die Einklarierung bei drei Behörden, zweimaliges Geldholen bei der Bank und Brotkauf beim Bäcker sowie Kaufen einer SIM-Karte im Telefonladen in drei Stunden, das ist ein neuer Rekord.
Wir leben uns gut ein und bekommen erste gute Eindrücke von Madagaskar. St. Marie war im frühen 18. Jahrhundert die größte Piratenhochburg weltweit. Es sollen hier 1000 Piraten ihr Hauptquartier aufgeschlagen haben, der berühmteste war Captain Kidd, dessen Schiff Adventure im Jahr 2000 durch Taucher gefunden wurde. Heute gibt es wieder Piraten, die uns den direkten Weg durch den Golf von Aden und den Suezkanal versperren. Das gefährdete Gebiet reicht bis zu den Seychellen hinab, also nicht weit entfernt von Madagaskar, weshalb wir auch unsere Position auf den Überfahrten nicht mehr ins Netz stellen, um nicht lokalisiert werden zu können.
St.Marie ist sicherlich nicht typisch für Madagaskar, da hier der Tourismus beginnt, aber dafür gibt es Annehmlichkeiten wie einige Restaurants. Auf der Speisekarte stehen Zebu, wie hier das Rind genannt wird, und köstliche Fischgerichte. Das Preisniveau ist ungefähr ein Viertel von dem auf La Reunion. Wir freuen uns auf die Gewürze, für die das Land bekannt ist. Durch diesen Ort zieht ein Duft von Gewürznelken, die an jeder Ecke ausgebreitet zum Trocknen liegen. Die frisch geernteten Nelken werden drei Tage in der Sonne getrocknet.
Mit einem Tuk-Tuk fahren wir in eines der Restaurants zusammen mit den Australiern Ley und Neil von der SY Crystal Blues. Er arbeitet in der Medientechnik und sammelt lokale Musikinstrumente auf seiner Weltumsegelung. Er hat zuvor organisiert, dass einige madagassische Musiker zu unserem Restaurant kommen und nach einem guten Fischessen wird stundenlang madegassische Musik gemacht, die uns direkt ins Blut geht. Eine gute Gelegenheit für mich, ein paar Bilder zu schießen.
Von St. Marie segeln wir die Ostküste Madagaskars entlang nach Norden zusammen mit der irischen Segelyacht Saol Eile . Da die Etappen zu lang sind, als dass man sie an einem Tag segeln kann, entscheiden wir uns zu Nachttörns, um jeweils bei Tagesanbruch eine geschützte Bucht anlaufen zu können. Wir haben unterhaltsame Abende mit Myra und Paraic sowie deren Crew Charles und Stain aus Südafrika. Die Iren sind ein lustiges tiefsinniges Volk, was sich an den Abenden bei Guinness bestätigt, von dem er genügend gebunkert hat. Paraic war sein Leben lang im Brauereiwesen tätig und oft beruflich in Deutschland gewesen, klar schwört er auf Guinness!
Zu unserem Ankerplatz an der Nordspitze von St. Marie kommen Kanus gerudert und besuchen uns. Wir kaufen Vanille und tauschen überflüssiges Geschirr gegen Hautöle. In der nächsten Bucht am Ostkap Madagaskars treffen wir spielende Kinder und beschenken sie mit Luftballons, auch wenn es ökologisch nicht sinnvoll ist, diese hierher zu bringen. Es bereitet allen Beteiligten viel Spaß.
Wir segeln die Ostküste weiter nach Norden und erreichen die Bucht Andravina 80 Seemeilen südlich des Nordkaps, wo ein Starkwind mit über 40 Knoten uns für Tage festhält. Es ist schon etwas Besonderes, bei stürmischem Wetter auf dem Schiff zu sitzen und eingeweht zu sein, die Wellen lassen das Boot tanzen wie auf hoher See und bei jeder Böe ruckt es an seiner Ankerkette. Es ist zu stürmisch, um mit dem Beiboot an Land zu gehen. Wir genießen die Zeit, vielleicht weil wir hier eine erzwungene Pause haben, bis der Wind in ein paar Tagen nachlassen soll und wir das Nordkap umrunden können zur geschützteren Westküste nach Nosy Be. Und wir haben mehr Muße, weil wir nicht täglich segeln. Wir trauen uns einmal mit dem Dinghie an einem frühen Morgen an Land und es tut sich eine andere Welt auf. Wir sind wieder in Afrika angekommen. Nach dem relativen Luxus in St. Marie besuchen wir ein kleines Fischerdorf aus wenigen Holz-bzw. Strohhütten. Die Menschen leben ausschließlich vom Fischfang, begrüßen uns zunächst reserviert, wenn wir mit unserem Schlauchboot an Land kommen, sind dann aber freundlich, führen uns herum und lachen mit uns, als Annette einem niedlichen kleinen Mädchen einen Luftballon aufbläst. Ein junger Mann lädt uns in seine Strohhütte ein und auf einer Strohmatte Platz zu nehmen, wo auf einem Rost über einem kleinen Feuer kleine Fische räuchern. Das Feuer wird gleichzeitig für einen Kochtopf genutzt. Mittlerweile sind wir besser ausgestattet und haben Kleinigkeiten für die Kinder dabei, aber vor allem Kleidung und Brauchbares für die Küche oder zum Angeln. Wir tauschen diese gegen Papayas oder Gewürze oder verschenken sie. Auch wenn die Verständigung über schlechtes Französisch schwierig ist, so bekommen wir doch einen Eindruck vom archaischen Leben der Madagassen in dieser Einsamkeit.
Wir brechen am Montag 28.09. um 23:30 Uhr auf, da wir am nächsten Morgen das Nordkap um 11:20 bei Niedrigwasser runden wollen, denn dann sollen die Bedingungen am besten sein. Es laufen hier zwei Meeresströmungen aufeinander und können mächtige Seen bilden. Wir haben zunächst frischen Rückenwind aus SE mit 20 kn, was auch dem Wetterbericht (grib file) entspricht. Aber kaum sind wir beim Kap, ändert sich dies wie erwartet. Plötzlich haben wir 35 – 40 kn Wind. Wir entscheiden uns, die Genua ganz einzurollen und stattdessen das Kevlar-Segel am flexiblen Vorstag zu setzen. Und da mache ich einen Fehler, der unangenehme Folgen hat. In der Nacht beim Ankerlichten hatte ich nicht gesehen, dass der untere Schäkel des Segels nicht eingehängt war, und nun rauscht das Segel beim Setzen am Vorstag entlang bis in den Masttop hinauf. Dort weht es nun wie eine überdimensionierte Flagge und ich kann es nicht mehr nach unten bekommen und dies bei 35 kn Wind. Es schlägt gegen die Salinge und Wanten und ich habe Angst um den Mast. Schließlich bitte ich Annette, vor Wind zu gehen , um es so zu bergen, aber es ist schwer beschädigt und das gesamte Achterliek ist zerrissen. Aber nicht nur das, unsere Pechsträhne reißt nicht ab. Bei den Manövern haben wir unser Kielwasser gekreuzt und dabei verhakt sich die Fischleine am Schiff (Annette hatte sie vor dem Manöver einholen wollen). Ich kann nicht herausfinden wo. Womöglich im Propeller? Es sind bange Stunden, als wir durch die Riffs zu unserer Ankerbucht segeln und nicht wissen, wie das ausgeht. Ende gut, alles gut: In unserer Ankerbucht vor Nosy Hara springe ich ins Wasser und sehe, dass der Angelhaken lediglich am Kiel verfangen hatte und Myra hat uns mit ihrer Segelnähmaschine 1 ½ Tage lang geholfen, das zerstörte Segel zu reparieren. Dass uns in dieser Bucht das Dinghie durch eine gewaltige Windböe umgedreht wurde und ich den Außenborder reinigen musste, da er unter Wasser kam, das bestätigt nur unsere Pechsträhne.
Welch ein Kontrast, als wir am nächsten Morgen früh aufbrechen, um zur Insel Mitsio zu segeln. Traumhafte Segelbedingungen. Der SE-Wind schläft nach einer Stunde ein und nach und nach setzt sich ein WSW- Wind, die thermische Seebrise von Madagaskar, durch. Zunächst weht sie mit zaghaften 5 Knoten, unter denen wir mit weniger als 2 kn segeln, bis sie auf 11 – 15 kn auffrischt und wir dabei mit 6 – 7 kn hoch am Wind die 52 Seemeilen durch das türkisblaue Wasser gleiten. So kann Segeln eben auch sein. Madagaskar schirmt den Mosambiquekanal gegen den Schwell des Indischen Ozeans ab, sodass wir kaum Welle haben. Am Abend trinken wir gemeinsam auf Saol Eile ein Bierchen und die Iren spendieren uns einen Fisch, denn sie haben drei gefangen, während wir unser Anglerglück vermissen.
Wenn schon kein eigener Fisch an die Leine kommt, dann treiben wir eben Tauschhandel mit den Fischern, von denen wir drei Tintenfische und einen kleinen Hummer bekommen. Es ist leider überall das Gleiche. Wenn wir gewusst hätten, dass sie einen Baby-Hummer aus dem Wasser ziehen, dann hätten wir sie nicht darum gebeten. So vernichten sie selbst ihre Fischgründe, indem sie die Jungfische bzw. –hummer fangen, bald wird auch hier das Meer leer sein. Wir segeln weiter nach Süden und freuen uns auf einen kulinarischen Tag. Mittags gibt es Calamari mit Gurken-Reis-Salat und abends Hummer zur Vorspeise und -welch Wunder- einen roten Thunfisch zur Hauptspeise, denn mit einer längeren Fischleine haben wir wieder Anglerglück. Wir übernachten südöstlich der winzigen Paradiesinsel Nosy Tsara Bajina. Beim Schnorcheln bin ich überwältigt von den wunderschönen Korallen und den Fischen. Es ist wie das Eintauchen in ein riesiges Aquarium.
Mein lieber Scholli, da habt Ihr ja mächtig Glück gehabt. 🙂
Vielen Dank für Eure immer wieder tollen Berichte. Da fällt einnem das Daheimbleiben dann nicht ganz so schwer…
Weiterhin stets eine Handbreit Wasser unterm Kiel und viel Glück!
Ganz liebe Grüße, Flo
Lieber Flo,
es ist immer wieder schön, von Zuhause zu hören. Danke für den Kommentar. Wir genießen jetzt die Zeit auf der Westseite Madagaskars. Einfach schön hier und mal keine Welle vom indischen Ozean…
Alles Gute in Berlin wünschen wir euch!
Liebe Grüße von
Thomas und Annette
Du meine Güte, der erste Teil las sich ja ganz gemütlich – aber dann! Ihr habt mal wieder nix ausgelassen und die dramatischen Ereignisse auch bislang nicht in den diversen mails erwähnt. Wie bin ich froh, vom guten Ausgang zu lesen! Und wie immer habt ihr, hast vermutlich eher du, Thomas, den Bericht mit fantastischen Bildern unterlegt. Danke, tausend Dank! Hoffentlich hält die ruhigere Phase noch ein bissle an… Euch beiden allerliebste Grüße aus einem kalten Herbstsonnenberlin – Bernhard
Ahoy from Australia! I am glad to know you are well in spite of all of the challenges that you’ve faced. While your narrative makes the sailing there seem a bit daunting, your images make me want to head there as soon as I can! Miss you both and looking forward to hearing from you again soon!